Weihrauch
Der Weihrauch:
Ich bin schon sehr früh mit dieser Materie in Berührung gekommen. Als Kind aus einem zwar nicht extrem, aber doch sehr konservativen katholischen Elternhaus war es meine Pflicht, ab dem Alter von sechs Jahren jede Woche die „Heilige Messe“ zu besuchen. Da war er, der Messdiener mit dem Weihrauchfass. Mein Versuch, den Atem anzuhalten, scheiterte kläglich. Die Tränen in meinen Augen und die stundenlangen Kopfschmerzen danach waren der Tribut für meinen Gehorsam. Im Alter von 13 Jahren begann ich zu rebellieren: keine Besuche mehr, keine Tränen, keine Kopfschmerzen und der feste Vorsatz, nie wieder mit diesem Stoff in Berührung zu kommen.
Es kam anders, natürlich ……
Schon ein Jahr später besuchte ich meine „Tante Resi“ (eigentlich war sie nicht meine Tante, sondern eine Cousine meiner Mutter, aber wir Kinder nannten sie so). Ihr Wohnzimmer, ja das ganze Haus war in einen wunderbaren, herrlichen, göttlichen Duft gehüllt. Was konnte das nur sein? „Weihrauch!
„Tante Resi“ lüftete das Geheimnis. Schon ihr Vater hatte ein beträchtliches Vermögen angehäuft und so waren Luxusgüter wie edle Weine, teure Parfums etc. für sie eine Normalität. Unter diesen Luxusgütern befand sich auch ein Weihrauch – „Al Hojari“ (der königliche Weihrauch aus dem Oman, der lange Zeit nur dem „Sultan von Oman“ vorbehalten war).
Es gibt also mehrere Arten von Weihrauch. Damit sollte eigentlich alles klar sein. War es aber nicht! Was macht den Unterschied, warum, wieso? Diese Fragen beschäftigen mich nun schon seit einem halben Jahrhundert und haben mich auf eine faszinierende, eine traumhafte, manchmal spektakuläre Reise zu ebensolchen Orten und vor allem zu einzigartigen, wunderbaren Menschen geführt.
Was ist Weihrauch ?
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Weihrauch ist das natürliche Harz der Balsambaumgewächse. Die Familie dieser tropischen Baumpflanzen umfasst etwa 300 verschiedene Arten, die alle eines gemeinsam haben: Sie sondern in speziellen Ausscheidungskanälen der Rinde aromatische Balsame oder Harze ab. Als Balsam bezeichnet man die flüssige Form eines Gemisches aus Harz und ätherischen Ölen. Verdunsten diese, bleibt das festere Harz zurück. Der botanische Name des Weihrauchharzes, Olibanum, leitet sich vom arabischen luban = Milchsaft ab. Weitere Wortwurzeln finden sich im griechischen libanos, im lateinischen libanus und im hebräischen lebonah, von laban = weiß, glänzend. Das Besondere am Weihrauchbaum, das ihn so selten und begehrt macht, sind die extremen Wachstumsbedingungen, die er vorfinden muss: Er benötigt kalkhaltige Böden mit einer bestimmten mineralischen Zusammensetzung. Die bizarren Bäume mit den kleinen, gefiederten, lederartigen Blättern gedeihen deshalb in trockenen Regionen, bevorzugt auf Steinhalden. Sie stehen oft in Abständen von mehreren hundert Metern, da ihre langen Wurzeln den kargen Boden oberflächlich durchdringen, um das spärliche Regenwasser aufzunehmen, das sich im trockenen Boden in geringer Tiefe sammelt. Der Weihrauchbaum verträgt keine Nässe. Die Niederschlagsmenge muss im Jahresdurchschnitt unter zehn Zentimetern liegen. Diese besonderen Bedingungen findet der außergewöhnliche, strauchartige Baum, der selten mehr als sechs Meter hoch wird, nur in drei Regionen, die seit Jahrtausenden seine Hauptanbaugebiete sind:
In Südarabien, dem heutigen Jemen und Oman, wo er nur entlang eines 15 Kilometer breiten Landstreifens gedeiht, dem so genannten Weihrauchgürtel. Die dortige Stammpflanze heißt Boswellia sacra, benannt nach dem Botaniker Johann Boswell aus Edinburgh;
im Hinterland der ostafrikanischen Küste, dem heutigen Somalia, wo Boswellia carteri (benannt nach dem englischen Schiffsarzt H. J. Carter) beheimatet ist;
und schließlich in Ostindien, wo Boswellia serrata (lateinisch serratus = gezackt, gezähnt, wegen der gefiederten Form der Blätter) wächst.
Wo wächst der Weihrauchbaum ?
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Seine besonderen Ansprüche an Boden und Klima sowie seine hochgeschätzten Duft- und Heilwirkungen machten den Weihrauchbaum schon vor Jahrtausenden zu einer begehrten Kulturpflanze. Der genaue Standort galt jedoch in der Antike wegen der Exklusivität des Baumes als Staatsgeheimnis. Begrenzte Anbauflächen bei gleichzeitig enormer Nachfrage sicherten den Anbauländern eine marktbeherrschende Monopolstellung und damit Reichtum und Macht. Versuche, die Stammpflanze außerhalb der etablierten Anbaugebiete anzusiedeln, scheiterten. Die wohl legendärste Reise zu diesem Zweck unternahm 1600 v. Chr. die ägyptische Pharaonin Hatschepsut – Tochter der Sonne, die erste Frau auf diesem mächtigen Thron. Ihr Weg führte sie nach Punt, der damaligen ägyptischen Weihrauch- und Myrrhenquelle, die vermutlich im Hinterland der ostafrikanischen Küste in der heutigen äthiopischen Provinz Eritrea am Roten Meer lag. Die aufwändige Expedition brachte neben vollen Schiffsladungen der begehrten Duftharze auch Originalpflanzen mit. Bemühungen, diese auch in der ägyptischen Heimat anzupflanzen, scheiterten offenbar an den unzureichenden Bodenverhältnissen.
Die Gewinnung des Harzes
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Im Gegensatz zu Bäumen und Sträuchern, die nur bei Verletzungen der Rinde Wundharz absondern, um die offene Stelle zu verschließen, besitzt der Weihrauchbaum natürliche Sekretdrüsen, in denen sein aromatischer Balsam in winzigen Tröpfchen gebildet, gespeichert und ohne äußere Einwirkung über feine Harzkanäle ausgeschieden wird. Diese spontan produzierte Harzmenge ist jedoch relativ gering. Zur Erntezeit – in Somalia und Südarabien sind das die Monate März und April – werden deshalb die Stämme und Äste mit speziellen Schabemessern an vielen Stellen angeritzt. An diesen Schnittstellen sondert der Weihrauchbaum aus seinen Exkretbehältern reichlich weißlich-milchiges, klebriges Sekret ab, das in der Sonne trocknet. Das so ausgehärtete Harz wird mit einem spachtelähnlichen Schaber abgeschabt und gesammelt.
Je nach Baumart, Erntezeit, Sonneneinstrahlung, Trocknungsdauer und Lagerung kommen auf diese Weise verschiedene Harzsorten mit unterschiedlichen Aromen und Qualitäten in den Handel. Die aromatischste Sorte wird in Südarabien gewonnen und ist unter dem Namen Aden-Weihrauch bekannt. Die jüngsten (Wieder-)Entdeckungen des Weihrauchs als Heilpflanze in Deutschland beziehen sich jedoch ausschließlich auf die indische Stammpflanze Boswellia serrata, die in ihrer Heimat Sallai Guggul genannt wird.
Weihrauch - die Faszination, die von ihm ausgeht
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Die Faszination eines duftenden Harzes.
»Weihrauch berührt Tiefenschichten im Menschen, die wir mit Worten nicht erreichen können«.
Diese Erkenntnis und die Wiedereinführung des aromatischen Räucherharzes als Medium für die Seele hat den Pfarrer einer fränkischen Kleinstadt fast berühmt gemacht. Er hält regelrechte Weihrauchandachten, die in seiner Gemeinde begeistert aufgenommen werden. Für jeden Zweck und Anlass kann der leidenschaftliche Sammler des edlen Harzes aus über sechzig Sorten wählen, jede mit ihrer eigenen Duftnote. Er ist einer der wenigen in der christlichen Kirche, die Weihrauch auch wegen seiner Wirkung auf die Seele schätzen. Die Protestanten haben ihn als Räucherwerk für die Messe ganz abgeschafft, und auch im katholischen Gottesdienst hat er nur noch symbolische Bedeutung: der aufsteigende Rauch als Sinnbild für das aufsteigende Gebet nach Psalm 141 des Alten Testaments. Doch auch in dieser Funktion ist er längst nicht bei allen Gläubigen beliebt. Befragt man Katholiken nach Sinn und Verwendung des Weihrauchs in der Messfeier, gehen die Meinungen von »finde ich gut über ist mir egal« bis »mag ich nicht, sollte man lassen« auseinander.
In der Antike hoch geschätzt
Ganz anders war die Wertschätzung des Weihrauchs in früheren Zeiten. Blickt man auf seine jahrtausendealte Geschichte zurück, wird deutlich: Das duftende Harz hat die Menschen fasziniert! Als Räuchermittel und Aromastoff eroberte es die antike Welt. Ob im alten Ägypten, bei den Babyloniern, Assyrern, Phöniziern oder Persern, bei den Israeliten oder den alten Griechen und Römern – sein spiritueller Duft erfüllte Tempel, Kirchen und Synagogen und stimmte auf Gebet und innere Einkehr ein. Weihrauch galt auch als Statussymbol. Ihn reichlich zu besitzen, verlieh Ansehen und Würde und war Ausdruck von Macht und Reichtum. Bei geselligen Anlässen, im Freundeskreis oder bei großen Versammlungen verbreitete er Wohlgeruch und erfrischte und reinigte die Luft. Frauen wussten mit Weihrauchdämpfen ihre Fruchtbarkeit zu steigern und als Parfüm, Puder oder Körperpflegemittel verführerisch auf das männliche Geschlecht zu wirken. Schließlich wurde Weihrauch in vielfältiger Weise zu medizinischen und hygienischen Zwecken eingesetzt, als Heilmittel in den verschiedensten Formen: zum Räuchern und Desinfizieren, zur inneren und äußeren Anwendung gegen die unterschiedlichsten Krankheiten.
Weihrauch im alten Ägypten
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Unter den Völkern des Altertums nahm das Land der Pharaonen und Pyramiden eine Sonderstellung ein: Es zeichnete sich nicht nur durch eine hochentwickelte Kultur aus, sondern war auch ein Paradies der Düfte. Das Wissen um die Wirkung von Gerüchen und die Kunst, wohlriechende Hölzer, Öle, Harze und Kräuter zu mischen, erlebte bei den alten Ägyptern eine nie wieder erreichte Blüte. Bereits vor über 6.000 Jahren wurden den Toten aromatische Balsame und Öle mit ins Grab gegeben. Noch Jahrtausende später verströmten sie ihr wunderbares Aroma, wenn Archäologen die Grabkammern öffneten.
Die Verwendung von Räucherwerk und Aromastoffen entwickelte sich in späteren Dynastien zu einer hohen Kunst. Großen Einfluss darauf hatten vermutlich indische Händler, die um 3.600 v. Chr. Weihrauch und Myrrhe nach Ägypten brachten. Seit dieser Zeit stand das Weihrauchharz als Räucherwerk im Mittelpunkt des kultischen Lebens.
Überhaupt scheint die vedische Hochkultur Indiens einen immensen Einfluss auf die Lebensweise, den Zeitgeist und die Medizin der antiken Welt ausgeübt zu haben. Das spirituelle Wissen um die Geheimnisse des Heilens mit ausgewogenen Düften muss auch die Priester und Heilkundigen des damaligen Ägyptens und anderer Völker tief beeindruckt und ihre Fertigkeiten in der Zubereitung und Mischung wunderbarer und heilsamer Duftessenzen vertieft haben.
Der Duft des Weihrauchs war für die alten Ägypter der göttliche Wohlgeruch schlechthin. Sein feierliches Aroma und sein wie ein zarter Schleier aufsteigender Rauch bargen einen Hauch von Ewigkeit und eine besondere Nähe zum Göttlichen, eine Eigenschaft, die ihm auch von anderen Völkern der antiken Welt zugeschrieben wurde. Seine balsamischen Düfte erfüllten die Tempel, begleiteten Gebete, Opferzeremonien und Begräbnisse, unterstrichen die Würde von Staatsakten und erfüllten die feierliche Inthronisation des Pharaos.
Weihrauch zu verschiedenen Anlässen
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Festlicher Duft bei Zusammenkünften und Festen
Die alten Völker des Nahen und Mittleren Ostens genossen den Duft des Weihrauchs auch zu ganz profanen Anlässen: Sie räucherten zu Hause im Familien- und Freundeskreis, bei geselligen Anlässen, Hochzeitsfeiern oder Versammlungen. Die alten Griechen hatten darüber hinaus eine ganz besondere Anwendungsmöglichkeit entdeckt: Sie nutzten den erfrischenden, belebenden und auch reinigenden Geruch des Olibanumharzes, um die am eigenen Leib spürbaren und im Raum riech- und sichtbaren Folgen der so genannten Symposien zu lindern. Darunter verstand man damals nicht wie heute Fachtagungen von Wissenschaftlern, sondern Trinkgelage, die schließlich mit Weihrauchduft geläutert wurden.
Weihrauch, Gold und Myrrhe – wahrhaft fürstliche Geschenke
In unserem christlich geprägten Kulturkreis ist Weihrauch wohl jedem durch die Geschichte der drei Sterndeuter bekannt, die dem Jesuskind, in dem sie den neugeborenen König der Juden zu erkennen glaubten, Weihrauch und Myrrhe als Insignien der Königswürde darbrachten. Diese Begebenheit hat sich bekanntlich so nicht zugetragen. Der Mythos von den Weisen aus dem Morgenland entstammt dem altpersischen Mitraskult und wurde, wie andere auf Jesus projizierte Geschichten, später vom Christentum übernommen. Die Legende zeigt jedoch, welche Wertschätzung das außergewöhnlich duftende Harz des Boswellia-Baumes damals genoss. Es war eine Kostbarkeit, die Herrschern und Königen als Geschenk überreicht wurde.
Die Weihrauchstraße
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Weihrauch und Myrrhe waren bei unseren Vorfahren noch aus einem anderen Grund besonders wertvoll. Der Handel mit diesen edlen Duftharzen verhalf den Provinzen und Stadtstaaten im südlichen Arabien, dem damaligen wie heutigen Hauptanbaugebiet des Weihrauchbaumes, zu sagenhaftem Reichtum und damit zu Macht. Seine Blütezeit erlebte der Weihrauchhandel unter der Herrschaft der Sabäer (1100 v. Chr. bis 575 n. Chr.), deren Herrschaftsgebiet bis nach Nordarabien reichte und die damit einen bedeutenden Teil des damaligen Welthandels kontrollierten. Ein Zentrum der Weihrauchproduktion war Dhofar, das im heutigen Oman an der Südspitze der Arabischen Halbinsel liegt. Von dort wurde das kostbare Gut in mühsamen, oft monatelangen Kamelkarawanen über die so genannte Weihrauchstraße 3.500 Kilometer nach Norden in Richtung Mittelmeer transportiert. Das trieb den Preis in die Höhe! Ein halbes Kilogramm der billigsten Weihrauchsorte kostete einen Arbeiter im ägyptischen Alexandria einen ganzen Wochenlohn. Denn der Transport auf dem Landweg war nicht nur mühsam, sondern auch gefährlich: Wegelagerer, Räuber und Plünderer trieben ihr Unwesen, und viele Provinzen erhoben Zölle und Mauten auf den meist streng reglementierten Routen. Auf das Abweichen von der vorgeschriebenen Route stand zum Teil die Todesstrafe. Arabischer Weihrauch wurde auf dem Seeweg bis nach Indien exportiert, da der dortige Weihrauchbaum nicht die aromatischen Eigenschaften des arabischen Harzes aufwies.
Die indische Pflanze mit dem botanischen Namen Boswellia serrata unterscheidet sich von ihrem arabischen Verwandten nicht nur in den Duftstoffen, sondern auch in wichtigen Wirkstoffen. Doch zurück zur Geschichte des Weihrauchhandels. Über die Weihrauchstraße gelangte das kostbare Olebanumharz von Südarabien nach Osten und Norden, in alle Länder des Nahen und Mittleren Ostens und des Mittelmeerraumes, und wurde zu einem festen Bestandteil des religiösen, aber auch des weltlichen Lebens der damaligen Zeit. Es diente als Parfüm und Hygienemittel und war ein beliebtes Heilmittel, das von Ärzten zu Puder, Salben, Pflastern oder Klistieren verarbeitet wurde.
Weihrauch, das Heilmittel
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Weihrauch als Heilmittel
Aufgrund seiner großen Beliebtheit und seines breiten Wirkungsspektrums sind zahlreiche Anwendungen des Weihrauchs von den berühmtesten Ärzten der damaligen Zeit überliefert. So wird im ältesten ägyptischen Schriftstück, dem Papyrus Ebers (16. Jh. v. Chr.), einem Handbuch für praktische Ärzte, eine Mischung aus zerstoßenem Weihrauch und Honig als Heilmittel erwähnt. Dieses Rezept wurde von den Ägypterinnen bis ins 20. Jahrhundert als Kaumittel für frischen Atem verwendet. Im frühmittelalterlichen Persien (um 1100) wurde Olibanum gegen Sommersprossen, Pockennarben und Tollwut eingesetzt. Arabische Ärzte kannten über 80 Präparate gegen Hautkrankheiten wie Wundrose, empfahlen Weihrauchdampfanwendungen bei Erkältungen oder verordneten das Harz als Brechmittel und gegen übermäßigen Blutfluss. Im alten China wurden Weihrauchzubereitungen vor allem gegen Hautkrankheiten, darunter auch Lepra, eingesetzt.
Weihrauch bei Hippokrates
In der griechisch-römischen Antike waren Hippokrates, Celsus, Galen oder Dioskurides die berühmtesten und richtungsweisenden Ärzte ihrer Zeit. Auch sie setzten Weihrauchharz und -rinde in allen Variationen ein: als Salbenzubereitung bei Verbrennungen und Frostbeulen, bei Schuppenflechte oder Warzen oder als Pulver zur Reinigung und Desinfektion von Wunden und zur Blutstillung. Spezielle Einläufe mit Weihrauch wurden bei Verstopfung verordnet, Inhalationen mit Weihrauch besserten Bronchitis, Gurgelwasser half bei Mandelentzündung und Umschläge linderten Bauchschmerzen. Innerlich angewendet soll Weihrauch – glaubt man den alten Berichten – Band- und Spulwürmer vertrieben und Durchfall gestoppt haben.
Übereinstimmende Heilanzeigen
Trotz unterschiedlicher Epochen und geographischer Entfernungen kamen die Ärzte zu einigen übereinstimmenden Heilanzeigen des Weihrauchs. Immer wieder genannt wurden Blutstillung, katarrhalische Erkrankungen, Bronchitis, Magen-Darm-Störungen, Infektionskrankheiten, Verletzungen und Gicht, was nach damaliger Terminologie rheumatische Erkrankungen mit Gelenkschwellungen gemeint haben könnte. Einige dieser Anwendungsgebiete decken sich mit heutigen Beobachtungen.
Auffallend ist, dass Weihrauch von diesen Ärzten auch bei einer Vielzahl von gut- und bösartigen Tumoren als innerliches und äußerliches Heilmittel eingesetzt wurde.
Weihrauch der Hildegard von Bingen
Wenden wir uns nun den heimischen Regionen zu. Auch hier sind Heilanwendungen mit Weihrauch dokumentiert. Originell ist ein Rezept der bis heute populärsten Heilkundlerin des Mittelalters, der Abtissin Hildegard von Bingen (1098-1179): Für überanstrengte Augen und als »Hirnmittel« empfahl sie Duftplätzchen aus Weihrauch und feinem Mehl (Semmelmehl), die nach Vorschrift zubereitet und in der Sonne getrocknet werden mussten:
»Halte diese Kuchen oft unter deine Nase, und ihr Duft wird dich stärken, deine Augen klären und dein Gehirn füllen. «Dem Dampf des weißen Weihrauchs schrieb sie eine besonders reinigende Wirkung auf Gehör und Gehirn zu: »Denn der kalorische Rauch des weißen Weihrauchs, der reiner ist als der Rauch der anderen Weihrauchsorten, vertreibt den bösen Rauch, der das Gehirn und das Gehör des Menschen auslöscht«.
Von Paracelsus bis heute
Das Wissen um die Heilkraft des kostbaren Harzes wurde bis ins Hochmittelalter überliefert. Oft wurde Weihrauch bei ganz ähnlichen Indikationen verordnet wie von den Ärzten der Antike. Auch der große Arzt des Mittelalters, Theophrastus von Hohenheim (1493-1541), ein vehementer Verfechter der Ganzheitsmedizin und unter dem Namen Paracelsus bekannt geworden, setzte Weihrauch als Heilmittel ein. Weihrauchelixiere waren noch um die Jahrhundertwende in Apotheken erhältlich.
Weihrauch - heute und in Zukunft
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Weihrauch als Räuchermittel heute
Das Räuchern zur Desinfektion und Luftreinigung ist auch heute noch eine der wichtigsten Anwendungen des Weihrauchs, vor allem in den südarabischen Herkunftsgebieten, aber auch im Nahen und Mittleren Osten sowie in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern. Der Rauch des Weihrauchharzes vertreibt Moskitos und gilt daher als bewährtes Mittel gegen Malaria. Im Iran wird auch heute noch in jedem Haushalt mit Esfpand, einer Räuchermischung, in Schalen geräuchert – zum Schutz vor Infektionskrankheiten, bei geselligen Anlässen zur Ehre der Gäste, aber auch zur Neutralisierung ungünstiger Schwingungen. In manchen Dörfern wird Esfpand in kleine perlengroße Kapseln gefüllt, die zu einer Art Hängegirlande aufgefädelt und über die Haustüren gehängt werden, um das Böse (böse Blicke, Neid und Missgunst) fernzuhalten. Im persischen Volksmund heißt es übrigens, dass das Einatmen und Riechen von Weihrauch die Intelligenz um ein Vielfaches steigern soll.
Pheromone – Kommunikation durch Duft
So manche heilsame Wirkung des Weihrauchs und anderer Duftpflanzen, die in der Antike genutzt wurden und heute in der Aromatherapie wieder großen Anklang finden, lässt sich mit einer überraschenden Entdeckung der Medizin erklären: den Pheromonen.
Aus der Tier- und Pflanzenwelt ist seit langem bekannt, dass Kommunikation über bestimmte Duftsignalstoffe stattfindet und dass Tiere dafür ein spezielles Wahrnehmungsorgan besitzen, das sogenannte Jacobsonsche Organ in der Nasenhöhle. Da dieses jedoch beim Menschen verkümmert ist, bezweifelten Wissenschaftler bisher, dass eine Kommunikation über Duftstoffe auch beim Menschen möglich ist. Neuere Forschungen kommen nun zu einem anderen Ergebnis: Spezielle Dufthormone, die Pheromone, entscheiden darüber, ob wir jemanden »riechen« können, welchen Partner wir attraktiv, sympathisch oder erotisch finden und in welcher Umgebung wir uns wohl oder unwohl fühlen. Diese Dufthormone werden auch als Ursache dafür angesehen, dass z.B. Frauen in einer Wohngemeinschaft ihren Menstruationszyklus aufeinander abstimmen. Pheromone sind genetisch festgelegt. Je näher wir miteinander verwandt sind, desto vertrauter und verbindender sind unsere Duftsignale. Wir haben sozusagen unseren eigenen »Familiengeruch«. Diese spezifischen Wirkstoffe helfen uns, miteinander zu kommunizieren, indem sie uns subtile Botschaften über das Wesen, die Stimmung und den Zustand unseres Gegenübers vermitteln.
Düfte harmonisieren
Kommunikationsprobleme können zu heftigen emotionalen Auseinandersetzungen führen. Was bleibt, ist die sprichwörtliche »dicke Luft«: Wir nehmen unbewusst die massiv freigesetzten Pheromone der »Hitzköpfe« wahr. Ebenso können Ängste, Sorgen oder Schwermut die Atmosphäre belasten und die Stimmung der Anwesenden drücken. Weihrauch, Aromaöle und Dufthölzer scheinen diese feinen Rauminformationen zu neutralisieren. Antipathien, Spannungen, negative Gefühle werden durch Aromastoffe aufgelöst oder zumindest gemildert.
Die Menschen alter Kulturen kannten zwar kein wissenschaftliches Erklärungsmodell für die positive Wirkung von Düften, aber sie hatten das unschlagbare Mittel der Beobachtung. Wer will, kann das heute wieder nachvollziehen: Räucherstäbchen mit Sandelholz, Weihrauchkörner oder Lavendelduft – Aromen schaffen Atmosphäre und harmonisieren auf ihre ganz spezifische Weise die Umgebung. Sie berühren uns aber auch tief in unserem Inneren, in unserer Seele. Der Geruchssinn ist der älteste Wahrnehmungssinn, und so erreichen Düfte eine der ältesten Gehirnstrukturen, das limbische System, in dem Sinneserfahrungen mit Erinnerungen und Gefühlen verknüpft werden und grundlegende körperliche Heilreaktionen auslösen.
Eine Legende kehrt zurück
Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet der Weihrauch, die Symbolpflanze der Antike mit ihrer herausragenden Bedeutung in der antiken Medizin, in der Religion und im sozialen Leben, im High-Tech-Zeitalter einer mit modernsten Apparaten ausgestatteten Medizin ein Comeback feiert.
Vor allem als Heilmittel ist der Weihrauchextrakt fast in Vergessenheit geraten. Selbst in vielen Kräuterbüchern der abendländischen Naturheilkunde, von denen man eigentlich annehmen sollte, dass sie Bewährtes bewahren, findet das Harz keine Erwähnung mehr. Heute, wo sich Ost und West, Orient und Okzident begegnen, wo sich uralte Medizinsysteme Asiens – Ayurveda, chinesische Heilmethoden, japanische Körpertherapien oder Pflanzenzubereitungen der traditionellen tibetischen Medizin – inmitten der Hochburg der modernen Apparatemedizin behaupten können, wird Weihrauch, die legendäre Duft- und Heilpflanze der Antike en vogue, zumindest als Heilmittel wieder gesellschaftsfähig.